Der
Name hat sich schmerzhaft in ihre Herzen eingebrannt:
Sivas, eine Stadt in Ostanatolien. 1993 starben hier 35
alevitische Schriftsteller und Künstler bei einem
Brandanschlag auf ein Hotel. Die Brandstifter sind auf
freiem Fuß, geschützt und gedeckt (so glaubt die
Religionsgemeinschaft) vom verhassten türkischen
Regierungschef Erdogan, der die Einstellung des
Verfahrens erst in der vergangenen Woche als
„segensreiches Ereignis“ bezeichnet hat.
Die Aleviten,
seit Jahrhunderten Opfer von Unterdrückung und
Verfolgung, waren fassungslos. Ihr Zorn stieg ins
Unermessliche, als sie erfuhren, dass Recep Erdogan am
vergangenen Samstag mit dem Steiger Award bedacht werden
sollte. Die Alevitische Gemeinde (AABF) mit Sitz in
Köln, Dachverband von rund 500.000 Gläubigen in
Deutschland, vollbrachte eine logistische
Meisterleistung.
Binnen Tagen
wurden eine Massenkundgebung in Bochum organisiert.
Anfangs waren 20.000 Teilnehmer angekündigt; Ende
letzter Woche wurde die Zahl auf 30.000 korrigiert. „Wir
hätten am Ende wohl 40.000 Menschen auf die Beine
gebracht, wenn Erdogan nicht abgesagt hätte. Noch am
Samstagmorgen wurden etliche Fahrten gestrichen“,
berichtet die AABF.
Proteste
gegen Erdogan
Die 22.000
Teilnehmer, die mit über 300 Bussen u.a. auch aus
Österreich, der Schweiz, Frankreich und Belgien
anreisten, bildeten am Samstag gleichwohl eine
beeindruckende Kulisse. Die Stadt hatte für die Aleviten
das Stadion an der Castroper Straße geöffnet.
Transparente („We burned – You will burn in hell“) und
T-Shirts („No racism – No Erdogan“) ließen ahnen, wie
abgrundtief der Premierminister aus Ankara verachtet
wird. Plakate mit Aufschriften wie „Hier werden
Menschenrechte verSTEIGERt“ oder „Lieber Herr Schröder –
Keine Preise an Mörder!“ dokumentierten, wie groß das
Entsetzen der Aleviten ob der geplanten Preisverleihung
ist.
Nach einer
90-minütigen Kundgebung im Stadion marschierten die
Aleviten in einem nicht enden wollenden Protestzug zum
Bergbaumuseum. Wütend. Aufgebracht. Aber friedlich,
diszipliniert.
„Wir sagen
Dank“, hieß es gestern auf der Internetseite der
Aleviten, die sich bei der Polizei für deren
„tatkräftige, zuverlässige und solidarische
Unterstützung“ bedanken. Nur so habe die „überwältigende
Demonstration realisiert werden“ können.
zurück> |